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Nachruf Prof. em. Dr. Hugo Ott (1931 - 2022)

Nachruf

Der Nestor der Freiburger Historiker, Hugo Ott, verstarb hochbetagt im 91. Lebensjahr am 22. Januar 2022 in Merzhausen bei Freiburg. Geboren am 20. August 1931 in Königshofen/Baden arbeitete er seit 1960 über 60 Jahre mit kurzer Unterbrechung am Historischen Seminar der Universität Freiburg im Breisgau. Die Dissertation Studien zur Geschichte des Klosters St. Blasien im hohen und späten Mittelalter (1959) hatte ihm die Pforten zur wissenschaftlichen Tätigkeit an der Hochschule geöffnet. Es folgte 1967 die Habilitation mit Studien zur spätmittelalterlichen Agrarverfassung im Oberrheingebiet. Mit deren Publikation 1969 erhielt er eine Professur an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, von welcher er 1971 auf den Lehrstuhl für Wirtschafts-und Sozialgeschichte an der Universität wechselte. 1997 erfolgte die Emeritierung, nicht aber ein Sich zur Ruhe setzen als Wissenschaftler. Angetreten als Fachmann für mittelalterliche regionalspezifische Wirtschaftsgeschichte, entwickelte er in seinen Forschungen eine erstaunliche Bandbreite, die ihn bis in die Zeitgeschichte und weit über die ökonomische Betrachtungsweise hinausführte. Sein Oeuvre umfasst über 200 Publikationen, die inhaltlich immer stärker aktuelle Themen, von der Geschichte der Universität bis zur Judenverfolgung aufgriffen. Bewegend die Darstellung Laubhüttenfest 1940. Warum Therese Loewy einsam sterben musste (1994) oder Abhandlungen über Edith Stein. Sein letztes größeres Werk war der Geschichte der Universität zu ihrem 550-jährigen Jubiläum gewidmet. Diese außergewöhnliche Schaffenskraft ging von einem bescheidenen, in sich ruhenden Menschen aus, der sich nicht nur wissenschaftlich, sondern auch familiär immer als Bezugspunkt für Mitarbeiter und seine sechs Kinder sah. So war es oft an Sonntagnachmittagen zu beobachten, dass er die drei ältesten Töchter mit in die Räume des – damals abgelegenen – Lehrstuhls nahm, wo die Kinder Bilder malten, während der Vater Büroarbeiten erledigte. 

Hugo Ott war ein konservativer Kollege, der konservative Pol am Historischen Seminar, vor allem in den Seminarkonferenzen. Immer bedacht und niemals aufbrausend vertrat er seinen Standpunkt, forderte zur Diskussion heraus und bewahrte das Seminar vor manchen vorschnellen und zeitbedingten Entscheidungen.

Sein größter wissenschaftlicher und auch menschlicher Erfolg waren die Studie Martin Heidegger. Unterwegs zu seiner Biographie (1988) und die damit verbundenen Auseinandersetzungen, auch im Kreis der Heidegger-Familie, um die politischen Verfehlungen des Philosophen bei Würdigung seiner philosophischen Leistungen. Das Buch wurde in alle Weltsprachen (sogar ins Polnische) übersetzt und gilt bis heute als die verlässlichste Darstellung zu oder über Heidegger. Ein erstaunlicher Weg von mittelalterlichen Urbaren (Grundbüchern) zu Heidegger, eine heutzutage seltene wissenschaftliche Bandbreite.

Bernd Martin     1.Februar 2022